Zu Hülf! Au secours!


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Abgeschickt von Martine am 01 September, 2002 um 16:38:28:


So Mädels und bitte auch Jungs!

Ich brauche mal dringend Toasterhilfe...

Wie ja einige schon mitgekriegt haben, sitze ich z. Zt unter Historikern und versuche diese von Dunnett zu überzeugen.

Zwei Kandidaten gibt es, die hätte ich schon „fast“ soweit.

Kandidat 1
spricht hervorragend englisch und hat keine Probleme, aber leider noch keine Zeit. Wurde von mir aber schon ein bißchen mit dem Anfang von King Hereafter angefixt.

Kandidat 2
ist doch recht wankelmütig, bzw. gar nicht davon überzeugt, daß er Dunnett überhaupt lesen sollte.

Kandidat 2 wäre aber DER ideale Dunnettleser. Und nun brauche ich, nachdem ich mir schon die Lippen franselig gelobt und mit meinen maroden Zähnen schon auf Granit gebissen habe, eure Hilfe.

Kurzbeschreibung Kandidat 2

Er liest viel und sehr ausgesucht. Jaja, er liest RICHTIGE Bücher, keine Computerzeitschriften, hört gern alte Musik und interessiert sich für die frühe Neuzeit. Ich vermute das übliche Vorurteil was ihn dran hindert: die Befürchtung auf was Seichtes zu stoßen.

So nun meine dringende Toasterhilfe.

Wie würdet ihr jemanden, dem ihr zutraut, daß es ihm gefällt, und daß er in der Lage ist DD zu genießen, DD schmackhaft machen?

Ach ja, ich denke für den wäre die Niccolochronik das Richtige. Und er muß auf deutsch anfangen, denn er behauptet nicht genug Englisch zu können. (Immer dies Understatements ...)


So um euch auch Hilfestellung zu geben, hier ein paar Frägelchen und meine Bitte, antwortet ohne Rücksicht auf Spoiler und ohne euch Gedanken zu machen, daß ihr zuviel verratet. Ich versuche meine Fragen so gut wie geht zu erläutern, es wäre wunderbar wenn ihr viele Antworten schickt. Ich habe ganz am Ende meine Antworten reingestellt, um euch zu zeigen was ich brauche.

Hier erst mal die Fragen. Keine Angst, man muß nicht alles beantworten, aber es wäre schön wenn ihr einen Teil davon beantworten würdet...


Wo würdet ihr Dunnett einordnen, wenn ihr ihr ein Etikett aufkleben müßtet?

Was an DDs Sprache/Stil für euch das Schönste? Die Poesie, die Zitate? Könnt ihr Beispiele geben?

Habt ihr schon einmal etwas getan, was euch ohne Dunnett zu lesen nie in den Sinn gekommen wäre?

Welche nicht literarische Qualität haben ihre Bücher für euch?
(Z.B. gibt es eine andere Kunstform (Maleri, Film, Musik)mit der ihr sie vergleicht?


Habt ihr eine Stelle, die ihr einem Nichtleser beschreiben/nacherzählen könntet, um ihm Dunnett nahezubringen?

Habt ihr eine Stelle in der der Vergleich mit einer anderen Kunstform ganz deutlich wird?

Warum sollte jemand unbedingt eine Dunnettfigur kennenlernen? Welche? (Das muß sich nicht auf die Hauptpersonen beschränken.)

Gibt es etwas, was ihr speziell einem (Kunst-)Historiker zu Dunnett sagen würdet?


So hier folgen meine versprochen Antworten und ich bitte sehr darum, daß das nicht die einzigen bleiben, sonst kann ich das Toastern aufgeben, und das wäre wirklich schade,...

Also laßt mich bitte nicht im Stich!

Martine



Wo würdet ihr Dunnett einordnen, wenn ihr ihr ein Etikett aufkleben müßtet?

Ok, ich bin nicht so vermessen zu sagen, Dunnett sei eine verkannte Nobelpreisträgerin. Aber weder ihr Stil noch ihre Sprache werden irgendwann schwülstig oder geraten zu Schmachtfetzen. Sie vermeidet Melodramatik, sie schafft es eine literarische Qualität zu entwickeln, die über den Durchschnitt hinausgeht und sie beginnt Leser über ihre Bücher hinaus für die Zeit zu interessieren. Wer von uns hat sich eigentlich nicht mal mit Poesie beschäftigt, hat nicht das eine oder andere Gedicht im Original gelesen, nicht diese oder jene Musik gehört, nur weil wir wissen wollten wie es ist, ganz zu schweigen von unsern ausgesuchten und im Alltag so hilfreichen Kenntnissen in Mythologie und Symbolik, die wir dank ihr erworben haben?


Was an DDs Sprache/Stil für euch das Schönste? Die Poesie, die Zitate? Könnt ihr Beispiele geben?

Für mich sind die kleinen Überraschungen das Allerschönste. Auf einen Satz zu stoßen der einen seufzen läßt. In den sie mit wirklich wenigen Worten so viel hinein bringt:

Z.B. Bei der Reise durch die Sahara, als die Expedition sich verirrt hat:

... Bevor es Nacht wurde, versuchte Saloum jedes Mal die Spuren zu entdecken ­ von Menschen, von Ziegen­, die vielleicht zu einem Dorf führten, und sie lauschten dann, ob da wohl ein Hund bellte oder ein Hahn krähte, und prüften, ob es irgendwo nach frischem Dung oder nach Holzrauch roch. ... (Niccolo, Vol IV)

Oder die Beschreibung der venezianischen Galeeren, die nach Sluys kommen

... Es war als ob man über das Wasser hinweg alles riechen könnte: Zimt und Nelken, Weihrauch und Myhrre und sogar das Fäßchen Rosenwasser aus Persien. Es war, als könnte man aufgehäuft und schimmend Saphire und Smaragde sehen, die mit Gold durchwirkten Gazeschleier, die Straußenfedern (sic!) und Elefantenzähne, Kautschuk und Ingwer und die Korallenknöpfe ...

Und dann Zeilen später :
... Aber niemals nahmen sie geschmacklose, sperrige oder grobe Waren an Bord. ...
(Niccolo Vol. I)

Huch, das sind beide Male Beschreibungen von Gerüchen, das wirkt dann wahrscheinlich besonders auf mich. LOL! Aber es ist wirklich so, ich habe oft das Gefühl ich könnte diese Bücher riechen.


Welche nicht literarische Qualität haben ihre Bücher für euch?
Ich spiele hier darauf an, daß DD für mich „szenisch" schreibt, da ich diese „szenische Vorstellung“ bei ihr habe, wenn ich sie lese, für mich das laute Loslachen in dem Moment anfängt, in dem ich begreife auf welche Pointe hin die Szene abzielt.)

Ok, um das nochmal zu erläutern - und das ist auch gleich Antwort auf die Frage:
Habt ihr eine Stelle, die ihr einem Nichtleser beschreiben/nacherzählen könntet, um ihm Dunnett nahezubringen?

... Nach den Vorfällen mit der Kanone, dem Mädchen und dem Hund wünschte Julius, nicht Simons Aufmerksamkeit auf sich oder irgendeinen Angehörigen des Charetty-Haushaltes zu lenken. Er war schon einmal seinem Blick erfolgreich ausgewichen: das war weiter nicht schwierig auf einem Deck, das hundertachtzehn venezianische Fuß lang und voll von Kisten war und von Menschen wimmelte. Er mochte Simon nicht, konnte aber nicht umhin, ihn mächtig zu beneiden. Er wünschte, er könnte Simon beobachten ohne gesehen zu werden. Er war sich bewußt, daß er der Demoiselle de Charrety nach dem ihm erteilten Rüffel ein zufriedenstellendes Sieben-Tage-Werk geliefert hatte, und diese Tatsache hatte er einfach ein bißchen zu früh an diesem Morgen gefeiert. Daher wünschte er insbesondere, daß Felix und Claes nicht an Bord kamen. Was Astorre betraf, so wäre es eine Katastrophe. Julius hob vorsichtig den Kopf, schüttelte ihn leicht und schaute über die Reling.

Es war eine Katastrophe. Das Boot, in dem Tommaso saß, schien weggefahren zu sein. Aber das Barett auf Felix Kopf, groß wie ein Dudelsack, war schon sichtbar als er vom Kai auf das Flagschiff kletterte. .....

All das, dieses kleine Versteckspiel an Bord des Schiffs, kann ich mir hervorragend vorstellen, da läuft er Film schon, und dann kommen so die ersten Anspielungen, daß es jetzt ziemlich heftig wird, und ja, letztendlich kommt es an diesem Tag zur bösen Wende .... und laut kichern muß ich bei Hutbeschreibung #398: „groß wie ein Dudelsack“ oder bei der mehrmaligen Wiederholung des Verbs "wünschen", das gleich deutlich macht, daß Wünsche nicht helfen werden...)Und ach ja: Hat mal jemand alle Hutbeschreibungen zusammengestellt?

Wo wird der Vergleich mit einer anderen Kunstform deutlich?

Für mich ist das die Malerei, stehe ich vor Renaissancebildern, ist es so, als lese ich ein Buch von ihr. Ich erkenne sogar die Personen wieder.
Schau da, Julius der Advokat, so arrogant so besserwisserisch, oder da der schöne Edelmann, Simon vielleicht? Oder he, da ist ja ein Papagei. usw...

Und ja, das ist eine Wechselwirkung, DDs Bücher haben mir die Freude an Betrachten noch größer gemacht. Ich stürze mich auf diese Bilder mit ungestillter Entdeckerfreude, mit unglaublicher Lust am Detail.

Warum sollte jemand unbedingt eine Dunnettfigur kennenlernen, und wenn, welche? (Das muß sich nicht auf die Hauptpersonen beschränken.)

Ich finde, man sollte Marian kennenlernen, Marian de Charetty. Die als Witwe nochmals von vorne beginnt, die voller Furcht ist, und trotzdem ein Wagnis eingeht.
Und natürlich Tobie, den sympathischnen Idealisten, der immer wieder enttäuscht wird, erklärt daß er sich nun nicht mehr enttäuschen ließe und es dann doch wieder passiert. Und der trotzdem niemals lächerlich gemacht wird, der unsere ganze Sympathie besitzt und ich finde, der auch ein wenig für die Leser steht, mit seinen idealistischen Erwartungen an das Gute in der (Dunnett-)Welt.

Gibt es etwas was ihr speziell einem (Kunst-)Historiker zu Dunnett sagen würdet?

Wie gesagt, vielleicht fällt euch hier noch was ein, was mir noch nicht eingefallen ist. ICH habe mir schon den Mund fusselig geredet.... – aber vielleicht wirkt es ja erst, wenn es andere auch nochmal sagen... also sind auch Wiederholungen willkommen.

Martine





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