Abgeschickt von Sabine am 04 September, 2002 um 21:06:43:
Antwort auf: Zu Hülf! Au secours! von Martine am 01 September, 2002 um 16:38:28:
Hallo Martine und Co.!
Das Posting hat mich gleich auf den Plan gerufen, eben frisch mit „Scales of Gold“ fertig und schon schwupp mit „The Unicorn Hunt“ angefangen.
Du Glückliche, daß es überhaupt Menschen in Deiner Umgebung gibt, denen Du Dunnett nahe bringen KÖNNTEST! Ich kenne nur einen potentiellen Leser - meine Mutter – aber die könnte es nicht mit dem Englischen aufnehmen, womit der Toaster für mich auch gleich in weite Ferne rückt.
Nach Euren Antworten beschäftigt mich eine Frage doch sehr: Wer bitte hat denn den historischen Roman in Verruf gebracht, daß Ihr beinahe widerwillig Dunnetts Bücher in diese Schublade steckt?
Für mich gehören sie definitiv in diese Sparte und zwar mit allem nur möglichen Glanz und der Glorie, die ich mir von einem historischen Roman erwarte und erträume.
Zugegeben, es gibt jede Menge Romane, die sich mit historischem Lokalkolorit schmücken (häufig eher dürftig) und das oft nur als Vehikel für eine Romanze benutzen. Aber die rechne ich nicht zu historischen Romanen.
Dunnett ist auf jeden Fall auf der „sicheren“ Seite – der seriösen, einerseits – auf der anderen garantiert sie absoluten Lesegenuß – auf allen Ebenen.
Es ist diese Ausgewogenheit aus Sprachgewandtheit, Poesie, Sachlichkeit, der Fähigkeit Dinge detailliert zu beschreiben, ohne aufdringlich zu werden, so daß sie förmlich Bilder in Technicolor vor dem inneren Auge heraufbeschwört – und nicht zuletzt das Würzen mit feinsinnigem Humor und Witz, das es zu diesem außergewöhnlichen Genuß macht.
Gerade „Scales of Gold“ beschenkt einen reichlich damit:
„He walked therefore with an open heart as well as an open mind, and accepted all that was offered his senses: the beating drums, the braying African horns mingled with the ululation of Arabic voices; the clank of gold, crude and solid as iron, hung upon naked, slender black bodies; the chanting voice of the storyteller ad the singing voice of the imam, reciting the Koran. As the season changed an, once more, coolness returned to the night, Nicholas rested by scented fires in the Koy´s flowery courts and watched unfold, beguiled, the spontaneous expression of many kinds of happiness, from clapping hands, the rhythmic, light-hearted dancing of the young to the gentle ambulation of the Negro philosophers in their spotless white turbans and robes, agreeably discoursing, or exchanging verses, or drifting to repose in some bower to take their ease, and refresh themselves, body and spirit..“
und eine Stelle, die ich ganz besonderes mag:
„Gelis said, ‚Sometimes, I am afraid of your patience. If I said – I still don´t know; wait for me twenty-five years? What would you do?‘
‚Express astonishment,‘ Nicholas said...“
und im nächsten Band nimmt sie dann die Sache mit den 25 Jahren wieder auf!
Das erinnert mich an ein geschickt komponiertes Musikstück, das bestimmte Themen immer wieder variiert, zugunsten einer neuen Idee aufgibt, später aber wieder darauf zurückkommt und es wieder aufnimmt.
Man könnte ihre Bücher vielleicht noch mit besonders kunstvoll gewebten Tapisserien vergleichen, glänzende Fäden zu einer komplexen Struktur verarbeitet, voller faszinierender Details, an denen man sich gar nicht sattsehen kann, weil immer noch ein neuer Aspekt offensichtlich wird.
Am meisten erinnert mich ihre Schreibweise aber an ein Gemälde, was Ihr auch alle so empfunden habt.
Es ist eines dieser großen Werke, die Tiefe besitzen und in lebendigen, erdigen Farbtönen gemalt sind. Die eine Fülle von Figuren beherrbergen, von denen jede ihre eigene Geschichte zu erzählen scheint. Eine dieser meisterhaft gestalteten Leinwände voller Licht und Schatten und sorgfältig herausgearbeiteter Einzelheiten, die man alle auf einen Blick gar nicht erfassen kann und man immer wieder in deren Betrachtung versinken kann.
Es stimmt – seitdem ich Dunnett lese, betrachte ich auch Malerei mit anderen Augen – ganz besonders die der Renaissance, an die mich ihre Bücher auch erinnert. Da trifft man sowohl ihre Charaktere wieder als auch die Hintergründe und sie befruchten die eigene Phantasie.
Was die Charaktere betrifft, so gibt es selten Romane mit so einer Fülle an Akteuren, die allesamt absolut lebensecht sind und nicht konstruiert wirken. Selbst Nebenfiguren besitzen Schärfentiefe und ein eigenständiges Leben, daß man sie nicht als schmückendes Beiwerk wahrnimmt, sondern sie am liebsten kennenlernen möchte!
So wie Goro oder Bel oder Tobie, weil sie das Salz in der Suppe sind mit ihrem Scharfsinn und ihrem Humor. Oder Fat Father Jordan! Also, den würde ich zu gerne mal (aus der Ferne) agieren sehen – am liebsten, wenn er seinem strahlenden Sproß die Meinung geigt! Er ist so wunderbar furchterregend unsymphatisch, daß man ihn einfach mal erleben möchte!
Gelis möchte ich am liebsten packen und schütteln, obwohl sie mir auch ungemein gefällt! Was hat sie nur getan!!!
Also, ich denke mal, es ist völlig gleich, ob man vom Fach ist, oder nicht – die Bücher haben eine besondere Faszination, ob man nun raffiniert konstruierte Plots und interessante Charaktere verfolgen möchte oder ob man von einer fremden Welt bezaubert werden will. Als Historiker würde ich auf jeden Fall nachvollziehen wollen, wie nahe an der Realität die Handlung verläuft und auf der anderen Seite würde es mich interessieren, ob es nun endlich jemandem gelungen ist eine gelungene Synthese aus Fakt und Fiktion zu schaffen.
Schöne Grüße, Bine