Abgeschickt von Martine am 26 Juni, 2002 um 16:17:25:
Antwort auf: Re:Initiation - immer wieder neu? von Saskia am 26 Juni, 2002 um 01:12:50:
Hi Saskia,
du schriebst
(...) ich dachte, Rebillot wäre vielleicht von der Theaterwissenschaft her bekannter.
Nein, ich fürchte, als ich die Theaterwissenschaft hinter mir gelassen habe, war er noch nicht so bekannt...
(...) So habe ich zum Beispiel an mir selbst - auch durch die Reaktion anderer - bemerkt, dass ich nach dem zeitlich intensiven Lesen von DD für kürzere Zeit meine Gedanken zu einer Sache facettenreicher zu fassen versuchte und es hat unheimlich Spaß gemacht. Aber leider wird der Bann durch den Alltag so schnell aufgehoben. Oder nach dem ersten Buch über Nc wollte ich unbedingt degenmäßiger auftreten, geduldiger sein.Was ist "education sentimentale" für ein Fachbegriff?
Es war eher als Scherz gemeint. Dunnett als Erziehung, bez. als „education“ in dem Sinne, daß viele ihrer leser diese Bücher immer wieder als Anregung zur (Weiter-)Bildung nehmen.
Und über mich kann ich sagen, mich haben ihre Bücher (aber eben nicht nur Dunnetts) schon durch das Heranwachsen begleitet, also waren sie (eben mit diesen andern „Lebensbüchern“) prägend für mich. Natürlich verändet sich die Sicht auf die Figuren aber auch die auf Inhalte, im Laufe des Lebens,
(...) Von Katharsis würde ich nicht sprechen. Eine Purgierung als Abreaktion von ansonsten die Seele belastenden Affekten ginge mir zu weit.
Ach nicht in diesem geladenen Sinne, aber sind nicht alle unsre „Lebensbücher“ ein wenig purgierend.
(...) Was ist "das Plot der Queste"? Ich kann leider damit nichts anfangen.
Oh, das ist eigentlich eine üble Zummenfassung. Ranke-Graves (ein Vorbild für Campbell) sagte, es gäbe nur eine Art der Poesie, die wirke, das sei die an die Göttin, die große Muter, am das Weibliche geschriebene und eine Art des „plots“ (Handlngsgerüsts) das wirke, das sei die Suche des Helden, die „queste“. In diesem Sinne würde man in jeder großen Literatur diese beiden Elemente finden. - des Pudels Kern im Buch, sozuagen.
(...) Aber sicher sind es auch Geschichten, die uns einen Spiegel vorhalten wollen im Sinne von Jung, dass die "großen Lebensfragen nie für immer gelöst" seien.
Ja, und des halb funktioniert für mich wahrscheinlich Lymond beser als Nicholas, obwohl der Charakter „hysterischer“ ist und überzogener, löst er seine Lebensfragen nicht endgültig. Nicholas dagegen am Ende von Gemini schon und es bleibt ihm dann nur zu Warten und kein Trost davon.
(...) Wenn man die Geschichten als Initiationsgeschichten betrachtet, wie ändert sich dann die Beziehung zu ihnen im Laufe der Jahrzehnte? (...)
Wie oben schon gesagt, die Beziehung zu den Personen muß sich schon durch die eigene, gelebte Biographie ändern. Vieles wird erst dann verständlich und nachvollziehbar, wenn man die Erfahrung hinter ich gebracht hat. Verlust oder Tod ist einem in jungen Jahren meist verschlossen, erst ab einem gewissen Alter erleben wir den in unserer Nähe. Und das hat Rückwirkungen darauf, wie wir diese „personnages“ sehen, wie wir die Bücher lesen, - schlicht was wir da hineien interpretieren.
(...) Wenn Initiationsgeschichte und gelebtes und sich vollziehendes eigenes Leben eine Synthese eingehen, was wäre da ein gesundes Verhältnis beider?
Sein eigenes Leben zu leben, nicht das der Romanfiguren. Aber sie trotzdem zu genießen und ihre Gechihte trotzdem zu lesen, weil sie unsere eigene kommentiert, weil wir sie kommentieren.
Martine am Nachmittag.