Abgeschickt von Martine am 03 Februar, 2009 um 13:56:11:
Antwort auf: Re: Dunnett auf dem deutschen Markt von taciturus am 01 Februar, 2009 um 23:31:50:
Salve, taciturus und willkommen:
zuerst mal danke schön, daß Grisel dich hierherlocken konnte. Und ein doppeltes Dankeschön für die lange Antwort.
: Ich glaube es liegt weniger an Dunnett als am Genre selbst. Viele Neuerscheinungen sind mehr oder weniger Liebesgeschichten vor historischer Kulisse und daher machen wohl viele Leser einen Bogen um das Genre selbst. Ich hab jedenfalls im Internet keinen deutlichen Unterschied zu anderen historischen Romanen erkannt, bezüglich der Leser/Leserinnenverteilung.
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Ja das stimmt, daß Historische Romane oft historisierende Liebesgeschichten sind. Ich nenne das dann Liebesromane vor historischer Tapete;-)
Und sie sprechen eindeutig ausschließlich die weiblichen Leser an, auch vom Marketing.
: (schnippel) Da ist mE auch der Klappentext (hab jetzt nur bei Band 1 nachgeschaut) nicht förderlich, wo das Buch u.a. als Liebesroman angepriesen wird.
Einer der großen Kritikpunkte, die wir gegenüber KC hatten. Und wir haben davor gewarnt, es in diese Gruppe zustellen.
Aber ach, wer kann mit Marketingleuten argumentieren?
DD schreibt nun mal keinen Liebesromane. Liebe, Sex, Gefühl, sind nur um mal ein Wort aus der Wirtschaftssprache zu nehmen "assets" die eingesetzt werden, um ein Ziel zu erreichen. Noch deutlicher wird das in den Lymond Chronicles, wo der Held ja immer um Kopf und Kragen und mit allen Mitteln spielt. Also auch mit den Gefühlen anderer, ohne seine eigenen offenzulegen.
: Der Vergleich ob Dunnett anders schreibt als männliche Autoren ist schwer zu beantworten. Dunnett ist für mich an sich schon eine Ausnahmeerscheinung, was ihren Stil und die Art und Weise wie sie ihre Geschichte aufbaut, anbelangt.
(schnippel)
Was mir als Besonderheit auf die Schnell einfällt, ist ihre Art Dinge anzudeuten, Spuren zu legen, nahezu immer einen doppelten Boden mitzuschreiben.
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Ich vergleiche meine Bekanntschaft mit DDs Büchern ungefähr so:
Da hat mir jemand den Raum zur Renaissance (oder besser zur Frühen Neuzeit) aufgeschlossen, mir einen kleinen Stups gegeben und gesagt, "Geh rein, sieh dich um!"
Und das war es dann. Was ich daraus für Schlüsse ziehen soll, hat man mir nicht gesagt. Ich bin sozusagen beim Bewerten auf mich gestellt.
: Wenn ich als Vergleich Robert Merle heranziehe, schreibt dieser viel geradliniger. Er erzählt die Geschichte und liefert im Grunde auch die Interpretation mit. Dunnett erzählt die Geschichte, schafft es aber die Deutung gänzlich in die Hand der Leser zu legen.
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Ja da treffen wir uns. Robert Merke schreibt, wie einige gute historische Autoren auch (Brien, Cornwell, Druon, Pargeter) solides Handwerk. Aber selten auch nicht mehr.
Und mit meinem schneckenfresserischen Geschmack ist mir solides Handwerk zwar lieb, aber ich suche nicht danach, ich suche nach dem Gaumenkitzel.
Und das ist DD.
Übrigens im original noch viel mehr als in der Übersetzung. Ich hätte mir auch niemals träumen lassen, ich würde jemals ein Buch auf Englisch lesen. (Damals war ich knapp 19. Den ersten Lymond habe ich mit 16 auf deutsch gelesen, damals war Internet noch Science Fiction und keiner wusste, daß es mehr davon gab, bis meine Schwester einige Jahre später die Fortsetzungen aus USA mitbrachte.)
Aber dann kam ein gewisser unsympathischer Held von 6 Büchern und hat mich eines Besseren belehrt. Und ich sage dir, der Anfang war ein Höllenritt.
Ich habe seitenweise nur BahnhofRembrandtÄgyptenKofferklaun verstanden, aber ich erfuhr, wie die Geschichte ausging.
Danach hab ich mich hingesetzt und Seite für Seite herausgefunden, warum sie so ausging.
Und jede Seite hat sich gelohnt!
: Ich selbst achte nicht auf das Geschlecht des Autors und lese bunt gemischt, kann dazu leider aber keine statistischen Werte anbieten. Ich werde jetzt aber gleich die Probe aufs Exempel starten und einen nächsten Kapazunder des historischen Romans zu lesen beginnen und versuchen auf den Geschlechtervergleich besonders zu achten.
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Ich wäre hocherfreut, die Ergebnisse zu erfahren.
Wirst du auf Englisch weiterlesen?
Gruß
Martine