Abgeschickt von Celis am 11 Maerz, 2005 um 10:48:01
Antwort auf: Fernsehtip von Celis am 04 Maerz, 2005 um 08:52:38:
: Hallo, liebe Dunnetties,
: bin heute morgen auf einen ( hoffentlich ) interessanten Fernsehbeitrag gestoßen !
: Erlebnisreisen : Ägypten - Durch den Sinai ans Rote Meer.
Hätte ich gewßt, daß man einen Haufen deutscher Studienräte auf seinem Bildungstrip begleitet, hätte ich mir die Sache geschenkt !
: Das ganze gibt´s am 06.03. um 14.40 im WDR
: Und weil ich dann schon auf dem Sofa liege werde ich im Anschluß Birgits LC / Odysseus -Vergleich lesen, den ich mir vorsorglich schon mal ausgedruckt habe.
: Vielen Dank, Birgit, für Deine Arbeit , resp. für den Anlaß sich unter einem anderen Aspekt mit der geschichte auseinanderzusetzen.
Eine Bemerkung vorneweg. Die L.C. sind ein Entwicklungsroman. D.D. sagte dies ja mal sowohl für die Autorin ,als auch für ihren Helden.
Der Topos der Reise, des unbehaust Seins ist für diese Art des Romans wohl typisch. Das reicht vom Gleichnis vom verlorenen Sohn bis hin zum Taugenichts.
Der Held wird aus seinem gewohnten Umfeld herausgeholt, oder verläßt es freiwillig, muß Familie, Freunde, Heimat etc. verlassen.Lebenserfahrung (Selbst-) Erkenntnis und Reife lassen sich so eher erwerben denn als saturierter Bürger, niedergelassen mit Wein ,Weib und Gesang.
Auch Niccolo verdankt den größten Teil seiner Persönlichkeit den Erfahrungen, die er auf seinen diversen Fahrten gesammelt hat.
Es ist ja zunächst wirklich so, daß wir bei L. ´s Lebensgeschichte von einer Odyssee sprechen können. Die Ähnlichkeiten, ja Parallelen sind offensichtlich. Fast alle Stationen der Odyssee scheinen eine Entsprechung zu finden im turbulenten Leben unseres Helden, bzw. umgekehrt.
Aber trotzdem kann ich mich nicht damit anfreunden. Das hat folgende Gründe.
Die beiden Protagonisten sind bei allen Übereinstimmungen grundverschieden.
O.: Held von Troja, Fürst von Ithaka, Vater von Telemachos, Ehemann von Penelope, (mit der Trennung als einzigem Beziehungsproblem) makelloser Stammbaum.
Seine Sehnsucht hat einen Namen und ein Ziel
L.: Eher berüchtigt, denn berühmt, von keinem besonderen polit. Rang, mit zweifelhafter Abstammung, kein Partner, kein Platz im Leben, kein Ziel.
In QP sagt er das ja seinem Bruder.
Diese zwei grundverschiedenen Männer sind also auf dem Weg nach Hause, wobei nur einer weiß, wo oder was das ist.
Der Start war für beide gleich. Ein Krieg , "blindes Geschick" , "Götter " haben sie aus der Bahn geworfen.
Aber bei L. läuft m.E. die Sache anders. Seine ganze weitere Geschichte, seine Prüfungen, seine Verstrickungen sind die Folgen seiner Entscheidungen.
Ihm werden Hindernisse, Umwege und Katastrophen nicht in den Weg geworfen von irgendwelchen Göttern, sondern sind Folgen seiner sehr spezifischen Reaktionen auf die Zumutungen seiner Gegenspieler.
Ich will versuchen zu erklären was ich meine. F.C. ist physisch ebenso gut gerüstet wie O. Aber anders als der schleppt er immer seine ganze komplizierte Biographie mit sich herum. Es besteht ja gerade nicht die Gefahr, daß er vergißt. Irgendwo sagt er ja mal, er gäbe viel darum, mal für einen Moment vergessen zu können oder so ähnlich.
Herkunft, Erziehung ethische Maßstäbe und Bildung machen seine Persönlichkeit aus und sind gleichzeitig sein größtes Handicap.
Seine Desaster beruhen darauf, das er nicht aus seiner ehrenhaften Haut kann.
Warum richtet er sich in Frankreich fast zugrunde? Warum folgt er einem Kind, von dem er nichts weiß ?
Warum heiratet er Philippa ? Warum lenkt er bewußt den Zorn seines Bruders auf sich? Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Er hätte sich garnicht wie O. durch die ganze Welt schlagen müssen. Er hat sich wirklich alles selber zuzuschreiben.
Odysseus wäre das nicht passiert. Für ihn war die Welt einfacher strukturiert.
Einfach mal reingehen in die Höhle des Polyphem und kucken wer da hämmert. Die Kameraden sind zwar dagegen aber dafür müssen sie auch dran glauben.
Wie wäre Lymond wohl damit umgegangen aufgrund seiner Neugier Freunde geopfert zu haben?
Gabriel hätte über solche Kleinigkeiten nur gelacht.
Er ist ein mächtiger Gegner wie Polyphem. Groß, angsteinflößend, beherrschen sie die Szene durch schiere physische Präsenz. Doch Poly ist nicht sehr helle. Er ist kein wirklicher Gegner für den Listenreichen. Sobald seine Kraft ihm nicht mehr nützt, ist er wehrlos.
Gabriel ist anders. Ich sehe ihn als das böse alter ego unseres Helden. Er ist alles was L. ist, bei einem völligem Mangel von Menschlichkeit und Moral.
Insofern ist Polyphem für mich eher der Ringer aus Cornwall, den erst eine Zuckerdusche "angreifbar" macht.
Ich hoffe ihr verzeiht mir die lange Epistel aber eines muß ich noch loswerden.
Es geht um den Vergleich Güzel - Calypso.
Für mich ist G. in erster Linie Geschäftsfrau.
L. ist für sie so etwas wie eine Eintrittskarte , ihr Einlagekapital. Sie legt es nicht darauf an, ihn seine Herkunft, seine Geschichte vergessen zu lassen. Die macht ihn ja gerade zu dem was er ist. Erfolgeicher Kommandeur und kultivierter Partner. Sie ist zu klug um zu wissen daß sie das Eine ohne das Andere nicht haben kann.
Lymond will soviel Entfernung zwischen sich und sein früheres Leben legen wie möglich. Also machen sie einen Deal zu beiderseitigem Vorteil. Auch er ist Geschäftsmann. Er verkauft sich und seine Leute. Qualität hat ihren Preis. Aber diesmal nur finanziell.
Er behält weiterhin Kontakt zur Außenwelt . Alle wissen wo er ist.
Für mich hat die russische Episode eine andere Bedeutung. Der Winter , der Schnee sind eine wunderbare Metapher für seine psychische Verfassung.
Klar, frostig, scharf und auf das Wesentliche reduziert.
Alle Quellen der Emotionen, der Lebendigkeit sind eingefroren. Die Episode mit den Verstorbenen ist als Metapher unglaublich treffend.
Tote werden eingefroren und aufgestapelt . Erinnerung und Trauer, Schmerz und Emotionen sind verschoben, vereist bis zum Frühling. Es ist alles noch da, unter der Oberfläche, manchmal bestürzend nah.
L. wußte, daß er seinen Gefühlen nicht trauen kann. Er wagt nicht P.´s Brief in G.´s Beisein zu Ende zu lesen. Als er für sie musiziert, tut er es mechanisch , wie ein Skalpell. (Großmeyer)
Bei seiner Liebe zur Musik kann man sich vorstellen, daß er sich höllisch beherrschen mußte, um von der Musik nicht fortgetragen zu werden.
Nein, ich glaube nicht, daß er hier versteckt werden soll. Er ist freiwillig in ein in jeder Hinsicht kühles Exil gegangen. Eine Art selbstverordneter Kältekammertherapie.
Er weiß aber stets, und hört es auch von Alex, daß dieses leben nur zweite Wahl ist, zu einer Existenz , deren Sinn und Möglichkeiten er noch nicht entdeckt hat.
Güzel kann ihm nicht mehr anbieten als er aktuell hat. Ihre Stellung ist prekär, es steht nicht in ihrer Macht seine Position zu festigen. Im Gegenteil beide wissen, daß sie über kurz oder lang einen neuen Gönner braucht.
Ich hoffe ich habe Eure Geduld nicht zu arg strapaziert und Ihr könnt etwas damit anfangen.
( Vielleicht kann mich ja jemand überzeugen, daß ich den alten Homer doch noch mal genauer lesen sollte !)
Bis die Tage !
Celis