Re: @martine und viele fragen an den rest der DDwelt


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Abgeschickt von Grisel am 05 Juni, 2002 um 10:37:19:

Antwort auf: @martine und viele fragen an den rest der DDwelt von Sigrid Markl (die chérubin-schreiberin) am 02 Juni, 2002 um 18:50:50:

Liebe Sigrid!

Auch ich freue mich sehr, eine Mit-Wienerin zu treffen!

: Was fesselt einem/eine an einem buch?

Was mich an einem Buch fesselt ist die Mischung aus den Charakteren, deren Beziehungen untereinander und der Handlung.

: Die dinge, die einem fremd sind oder die dinge, in denen man sich/lebenssituationen wiedererkennt?

Definitiv die fremden Dinge. Ich bin stets auf der Suche nach dem "perfekten" Buch. Einem Buch, in dem ich mich beim Lesen verlieren kann, wo das Leben zwar nicht vergessen wird, aber beim Lesen ein wenig weniger wichtig wird. Das würde also nicht funktionieren, wenn ich über Dinge lese, die ich im realen Leben kenne.
Es funktioniert eher umgekehrt, wenn ich dann im realen Leben auf Spuren aus geliebten Büchern stoße, ein Straßenschild, ein Name in einem Zeitungsartikel, etc.

: Projeziert man wunschvorstellungen (z.b. die probleme einer renaissance-figur sind sooo viel interessanter als meine streitereien mit meinem chef etc...) hinein oder findet man in freuden etwas wieder (aha - die hatten also auch so ihre probleme)?

Beides würde ich sagen. Es geht nicht darum in einer Friede-Freude-Eierkuchen-Welt zu versinken, denn ich bin ein Realitätsfanatiker. Aber ich will, wenn ich historisch lese, eben deren (brutale) Realität lesen, und nicht die, in der ich ohnehin lebe und die ich in den Nachrichten verfolge.
Darum lese ich momentan zumindest nur sehr selten Bücher die in unserer Zeit spielen.

: Kann man sich in figuren verlieben (im wahrsten sinne des wortes oder enfach große sympathien hegen)?
: Kann man sie hassen?
: Wenn ja - warum? Schließlich sind sie ja nur "erfunden". Was haben solche - sehr persönlichen - gefühle mit dem leser/der leserin zu tun?

Wenn sie gut beschrieben sind, erwachen sie zum Leben und werden für mich tatsächlich lebendig. Aber - GSD möchte ich fast sagen - eben nur solange ich über sie lese und spreche. Es darf nie so weit gehen, daß man den Bezug zur Realtität verliert.
Aber ich zumindest kann mich in Charaktere verlieben, oder, um es weniger stark auszudrücken, manche Figuren wachsen mir seeeeehr stark ans Herz.
Und das funktioniert auch in die andere Richtung. Haß ist hier vielleicht auch wieder zu stark. Sagen wir, es gibt Figuren, die mir ungeheuer auf den Geist gehen und über die zu lesen mühsam ist.

: Was unterscheidet romane, die "von der realität abheben" von allen anderen? Haben sie gemeinsamkeiten, auch wenn es sich um historie, fantasy, SF, horror handelt?

Die Güte unterscheidet sie. Auf das Genre kommt es nicht an. Wenn ein Buch exzellente ist, erschafft es seine eigene Welt, in die man beim Lesen versinken kann. Auf das Genre kommt es da nicht an.

: Gibt es kreuz- und querschläger zwischen historien/fantasy etc.-romanleserInnen? Ich habe bei meinen recherchen viele verbindungen gefunden, bin mir aber nicht sicher, wie ich sie werten soll...

Wie meinst Du das? Es gibt viele Leser historischer Romane, die auch Fantasy lesen. Aber auch viele, die es nicht tun.
Ich habe natürlich meine Lieblingsgenres, und bevorzugten Epochen, aber wenn ein Buch gut ist, kann es wann und wo und warum spielen, dann kommt es darauf nicht an.

: Was fasziniert am geschichtlichen?

Eine Welt die ganz anders als unsere geregelte ist? Eine Welt mit Fürsten und Herrschern und Kampf und Abenteuer?

: Was fasziniert am fantastischen?

Das selbe? Leute, die leben und Abenteuer erleben, anstatt jeden Morgen um 8:00 aufzustehen und in die Arbeit zu gehen?

: Gibt es eventuell etwas, das manche leserschaft bei realitätsorientierten romanen abstösst? [Mir persönlich geht es oft so, dass das thema von zuvielen alltagsdetails ertränkt wird, wohingegen ein distanzierter zugang (mit welchem stilmittel auch immer) den kern freilegt. Aber es gibt auch genies, die realität und aussage unter einen hut bringen können... (ich leider nicht).]

Du hast Deine Frage schon selbst beantwortet. Es kommt darauf an, wie es geschildert wird. Wenn ich einen historischen Roman lese, will ich natürlich etwas vom Alltagsleben erfahren, aber ich will keine theoretische Abhandlung. Dafür gibt es die Sachbücher. Die Figuren müssen ganz und gar in ihrer eigenen, und nicht unserer Welt leben. Aber es darf nicht konstruiert wirken. Es muß sich richtig anfühlen.
Und die Figur muß in ihre Zeit passen. Ich kann es nicht leiden, wenn edle 20. Jhdt-Menschen in mittelalterlichen Romanen auftauchen, weil der Leser es nicht verkraften kann, wenn der Held sich mal politisch unkorrekt verhält.

Bye,

Grisel


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